Suchen, Entwerfen, Stiften – Entwurfsdenken im Ausgang von Martin Heidegger

Im Entwerfen verdichtet sich die Bewegung des Suchens zur Sinnstiftung. Einmal hingeworfen, kommt das Entwerfen indes nicht zur Ruhe. Entwürfe zeichnen sich durch ihre Realisierungsoffenheit aus. Sie entfalten sich als bestimmender Sinn. So befindet sich beispielsweise im zeichnerischen Entwerfen ikonischer Sinn erst unterwegs zum Bild. Entwurf ist demnach ein inchoativer Begriff. Ähnliches lässt sich über architekturale, dichterische, musikalische, filmische oder technische Entwürfe im engeren Sinne sagen, in welchen sich räumlicher, sprachlicher, klanglicher, cinematographischer oder funktionaler Sinn – häufig transmedial – abzeichnet. Was sich derart ab- oder vorzeichnet, sind Bahnen möglicher Bewegungen, Räume zukünftigen Erfahrens und nicht zuletzt Möglichkeiten ikonischer Bildgenese. Entwürfe bündeln Sinnkonstitution auf sinnfällige Weise und erlauben, dass etwas Neues, bisher Unbekanntes zum Vorschein kommt. Im Begriff des Entwerfens überkreuzen sich epistemische und ästhetische Fluchtlinien.
Es verwundert daher kaum, dass der inchoative und praxeologische Begriff des Entwurfs auf vielfältiges Interesse stößt. Bildkritik, Entwurfsforschung, Medien-, Kunst- und Literaturwissenschaften und nicht zuletzt die Philosophie haben mit einem vergleichbaren Fokus die Frage nach der prozessualen Sinnkonstitution ethischen, epistemischen, künstlerischen oder artifiziellen Entwerfens gestellt. Als herausragend und vielfach prägend erweist sich in diesem Kontext Martin Heideggers Entwurfsdenken. Über alle Kehren hinweg bleibt «Entwurf» ein Grundwort heideggerschen Denkens; mehr noch, Heideggers Insistenz im Umgang mit dem Begriff und Phänomen des Entwerfens bietet die Möglichkeiten neuer Anverwandlungen.
Im Ausgang von Heidegger lässt sich das Entwerfen jenseits der trivialen Bestimmung durch «Intuition» oder «Kreativität» (creatio ex nihilo) und der Entwurf selbst jenseits der nicht minder trivialen Auffassung als eines bloß heuristischen Mittels denken: Entwerfen ist ein Öffnen oder Eröffnen verborgener Möglichkeiten, der Entwurf deren Verdichtung bis zur erfahrbaren Sinnfälligkeit. Heideggers umfangreiches Begriffsfeld: Entwerfen – Entwurf – Zuwurf – Geworfen(-heit) – Weltentwurf (Weltbildung) – vorbildlicher Entwurf – Entwurfsbereich – Werfer – Aufriss  verweist auf eine komplexe Thematik, die bislang weder in der Heidegger-Forschung noch in der Bildkritik ausreichend thematisiert wurde.
Ziel der Tagung ist es, die Modalitäten des Entwerfens auszuloten, dies im Spannungsfeld bildkritischer, entwurfstheoretischer, architektonischer, literarischer und philosophischer Fragestellungen. Im Mittelpunkt steht hierbei stets die Frage, wie sich an den verschiedenen Phänomenen des konkreten Entwerfens Sinn konstituiert, wie der entworfene Sinn im Entwurf selbst noch offen für weitere Sinnbestimmungen bleiben kann, kurz wie im Entwurf die Offenheit des Entwerfens über sich selbst hinausgeworfen wird.

Programm

Donnerstag, 8. März 2012

18.00 – 18.30	Begrüßung: Gottfried Boehm
18.30 – 20.00	Abendvortrag von Günter Figal: Die Räumlichkeit des Entwurfs
Freitag, 9. März 2012
09.00 – 09.30	Einleitung: Toni Hildebrandt
09.30 – 10.30	Alexander Schwarz (David Chipperfield Architects): Vor dem Entwurf: Finden, Erfinden, Entwerfen
10.30 – 11.00	Pause
11.00 – 12.00	David Espinet: Die Freiheit des Entwurfs. Zur Antinomie der Kunst bei Kant und Heidegger
12.00 – 14.00	Pause
14.00 – 15.00	Tobias Keiling: Erklüftung. Heideggers Enwurfsdenken in den «Beiträgen zur Philosophie»
15.00 – 16.00	Erich Hörl - ENTFÄLLT
16.00 – 16.30	Pause
16.30 – 17.30	Dieter Mersch - ENTFÄLLT
17.30 – 18.00	Pause
18.00 – 19.30	Abendvortrag von Karsten Harries: Entwurf, Vorauswurf, Zuwurf – Zur Vorläufigkeit des Kunstwerks
Samstag, 10. März 2012
10.00 – 13.00	Workshop mit Karsten Harries: Die ethische Dimension des Entwerfens mit einer Einführung von Sabine Ammon

Um Anmeldung für den Workshop wird gebeten:
toni.hildebrandt(AT)unibas.ch

Konzept: Toni Hildebrandt, David Espinet

Referierende: Gottfried Boehm, Toni Hildebrandt, Gerald Wildgruber, Sabine Ammon, Günter Figal, Alexander Schwarz, David Espinet, Erich Hörl, Dieter Mersch, Karsten Harries.

Downloads: Poster Suchen Entwerfen Stiften, Programm Suchen Entwerfen Stiften

eikones NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH - 4051 Basel